Liebe Festgemeinde,
liebe Heimatfreundinnen und -freunde,
liebe Passanten und Nachbarinnen,
werte örtliche Würdenträger,
lieber hochverehrter Wirt,
liebe Vereinsgeschwister!
Wir sind heute hier zusammengekommen, um unser Fass einzuweihen.
Über viele Jahre hat das alte Fass unserem geliebten Martin-Luther-Platz als Zierde gedient und manchem schwankenden Mitbürger Halt gegeben.
Jedoch: Es hat der Zahn der Zeit an ihm genagt!
So lag es nahe, dass der unbändige Gestaltungswille unseres jungen Martin-Luther-Platz-Heimatvereins hier sein erstes Objekt gefunden hat.
Die engagierten Mitglieder unseres Vereins haben es nicht an Initiative fehlen lassen und keine Kosten und Mühen gescheut, um ein neues Fass anzuschaffen, ihm die erste Ölung zu erteilen, es mit frischer Erde zu befüllen und an diesem Ort aufzustellen.
Ihnen kann nicht genug gedankt werden!
Wer die Heimat liebt, die oder der sorgt für ihre Erneuerung, bewahrt aber auch das Bewährte: Derselbe Baum, dem das alte Fass so lange eine Heimstatt war, bezieht jetzt seine Wohnung in dem neuen Fass.
Tradition – ja, das können wir!
Richten wir nun unseren Blick auf das Fass!
Das Fass!
Es steht nicht beziehungslos im öffentlichen Raum!
Achten wir auf sein Zusammenspiel mit den anderen Elementen des Platzes!
Da ist die Kugel!
Die Kugel steht natürlich für die Welt.
Dieser Platz, so will sie uns sagen, ist unsere Welt.
Das Fass steht in seiner zylindrisch-bauchigen Form für den Menschen, also für uns, die wir hier auf diesem Platze sind.
Die runde, ruhende Form des Fasses stellt einen Gegensatz zur protestantisch-schlanken Strenge der Kirche dar, so wie die Kneipe, vor der es steht, ein Wechselspiel mit der Nüchternheit des Luthertums, das in dieser Kirche gepredigt wird, eingeht.
Gleichzeitig erinnert uns die Skulptur am Pfarrhaus gegenüber, dass der Urheber dieser Lehre selbst – der Namensgeber dieses Platzes und somit auch unseres Vereins – durchaus kein Mann ohne Bauch und Lebensart war. Und so will es mir fast scheinen, dass das Fass und der Reformator sich stets gegenseitig einen Gruß des stillen Einverständnisses entbieten.
So fügt es sich auch sinnhaft, dass unser Vorsitzender, Pfarrer Ecki Möller, auf beiden Seiten des Platzes zuhause ist…
Liebe Gemeinde!
Das Verb „schroten“ ist den meisten Menschen heute wahrscheinlich nicht mehr geläufig. Es bedeutet unter anderem so viel wie „wälzen“ oder „schieben“. Und davon leitet sich die alte Berufsbezeichnung für denjenigen Arbeiter ab, der einst das Fass in den Keller bzw. wieder hinaus zu befördern hatte.
Jawohl, ich spreche vom Schröter!
Und damit dürfte deutlich geworden sein, dass wir mit diesem Fass auch dem Träger desselben Namens, unserem lieben Micha – dem anderen Vorsitzenden unseres Vereins – ein bescheidenes Denkmal setzen.
Zum Schluss noch etwas gebundene Sprache – selbstverständlich ein Sonett:
In Fässern – so ist doch die Lage –
Finden wir, was uns erfreut,
Jeden Abend, stets erneut.
Das steht völlig außer Frage.
Es geht allgemein die Sage,
Dass wer den Inhalt nicht gescheut,
Das hinterher niemals bereut,
Nicht bei Nacht und nicht bei Tage!
Drum lasst zum Fass uns alle streben!
Aus dem Fasse kommt das Licht!
Wo das Fass ist, da ist Leben!
Sind wir wie das Fass so dicht,
Wenn wir wieder einen heben,
Strahlt das Glück uns, rein und schlicht.
Möge es immer so bleiben, dass jede und jeder glücklicher und klüger zur Rechten dieses Fasses auf den Platz tritt, als er Stunden zuvor in die gute Stube eingetreten war!
Schreiten wir also zur Einweihung unseres Fasses, indem die zuständigen Vereinsmitglieder jenes Band durchschneiden, zu dem mir leider keine absurde symbolische Deutung mehr eingefallen ist!
Schreiten wir also zu Tat und Trank!